Wer Busfahrer oder Busfahrerin im Liniendienst werden will, braucht mehr als nur einen Busführerschein. Mitarbeitende im Fahrdienst müssen auch ganz genau die Verläufe der einzelnen Linien und ihre Besonderheiten kennen. Dieses Wissen vermitteln in Verkehrsunternehmen sogenannte Streckenlehrfahrer. Das sind erfahrene Mitarbeitende aus dem Fahrdienst, die mit Anfängerinnen und Anfängern die Linienverläufe und Dienstabläufe einstudieren sowie sie bei ihren ersten Diensten begleiten.
Unterschiede in der Ausbildung
Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hatte jetzt Besuch von 27 Streckenlehrfahrern und Fahrlehrern von den Dortmunder Stadtwerken (DSW21). Alle zwei Jahre besuchen sie verschiedene Verkehrsunternehmen in Deutschland, um sich über den Arbeitsalltag auszutauschen.
Beim Besuch in Bremen wurde deutlich: Auch wenn sich die Aufgaben der Streckenlehrfahrer in Dortmund und Bremen natürlich ähneln, gibt es einige Unterschiede. »Die Strukturen sind ähnlich, aber das Auswahlverfahren, wie man Streckenlehrfahrer wird, ist in Bremen anders«, sagte Michael Gulcz, Busfahrer und Betriebsrat bei den Dortmunder Stadtwerken.
Während bei der BSAG eine Kommission darüber entscheidet, ob ein Kandidat oder eine Kandidatin Streckenlehrfahrer/in werden darf, verläuft der Auswahlprozess in Dortmund etwas weniger formell.
Streckenlehrfahrer vergisst man nicht
Auch die Zusammenarbeit zwischen Streckenlehrfahrenden und Busfahrenden läuft in den beiden Städten unterschiedlich ab. Fünf Wochen brauchen angehende Fahrdienstmitarbeitende nach erfolgreicher Führerscheinprüfung in Dortmund, um auch die »Linienreife« zu erlangen. Dabei sind sie jeden Tag mit einem anderen Streckenlehrfahrer oder einer anderen Streckenlehrfahrerin unterwegs. So sollen sie möglichst viel verschiedenes Wissen von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen erlangen.
Bei der BSAG werden die »Streckenfahrschüler« bei der Einweisung grundsätzlich immer vom gleichen Streckenlehrfahrenden betreut. »Uns ist wichtig, dass der Anleitende die Entwicklung seines Schülers oder seiner Schülerin nachvollziehen kann und dass diese ein gewisses Vertrauen aufbauen können«, betont Fahrlehrer Jörg Middelstorb. »Ich weiß heute noch, wer mein Streckenlehrfahrer war. Das vergisst man nicht.«
Linien-Einweisung geht in Bremen schneller
Außerdem geht die Linien-Einweisung in Bremen etwas schneller. Statt fünf Wochen kann bei begabten Busfahrerinnen und Busfahrern die Strecken-Ausbildung im besten Fall schon nach zwei Wochen abgeschlossen sein. Das hat zwei Gründe: Zum einen bekommen bei der BSAG die Mitarbeitenden vor den Streckenlehrfahrten noch eine zehntägige Typeneinweisung. Dabei sollen sie die verschiedenen Bustypen kennenlernen – und proben den Umgang natürlich auch auf der Strecke.
Dass die Streckenausbildung in Dortmund länger dauert, hat auch damit zu tun, dass die Mitarbeitenden dort sofort alle Buslinien der DSW21 kennenlernen. In Bremen hingegen sind die meisten Busfahrenden einem der drei Busbetriebshöfe zugeordnet und konzentrieren sich auf die Linien, die von dort aus eingesetzt werden. Wechseln sie den Betriebshof, stehen erst einmal Streckenlehrfahrten für die dortigen Linien an.
Leidenschaftliche Busfahrer
Dass aber auch versierte Steckenlehrfahrerinnen und -fahrer in erster Linie leidenschaftliche Busfahrende sind, zeigt sich, wenn sich die Mitarbeitenden aus verschiedenen Verkehrsunternehmen treffen. Für leuchtende Augen sorgte der Borgward-Oldtimer, den die Dortmunderinnen und Dortmunder bei ihrem Besuch im BSAG-Zentrum natürlich probefahren durften und »einfach geil« fanden.
Auch den Elektro-Gelenkbus probierten die Gäste auf dem Betriebshof aus. Für erfahrene Mitarbeitende aus dem Fahrdienst war es kein Problem, das batteriebetriebene Fahrzeug über den Hof zu lenken. »Ganz schön gewöhnungsbedürftig. Man hört wirklich nichts«, urteilte DSW21-Teamleiter Rüdiger Tiaden, der den Trip nach Bremen für seine Kolleginnen und Kollegen organisiert hatte.
In Dortmund sind bisher lediglich Hybridbusse im Einsatz. »Reine Elektrobusse werden wir erst anschaffen, wenn sie serienmäßig produziert werden – auch wenn wir dann vielleicht die letzten sind«, erklärte Betriebsrat Gulcz.
Buslenkrad probeweise eingetauscht
Dass die Besucherinnen und Besucher aus Dortmund aber sehr wohl mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen umgehen können, zeigte sich schnell. Ausnahmsweise tauschten sie das Buslenkrad in Bremen nämlich gegen den Stromgeber einer Straßenbahn. Sowohl im alten Kurbelwagen der BSAG-Fahrschule aus den 1970er-Jahren wie auch in einem neueren Straßenbahn-Modell machten die Gäste eine gute Figur.
Letzte Station beim Betriebsbesuch war die Leitstelle. Auch die unterscheidet sich in Bremen deutlich vom Dortmunder Pendant. Während dort die Straßenbahn-Leitstelle von der Bus-Leitstelle getrennt ist, sind die diensthabenden Verkehrsmeister der BSAG für beide Fahrzeugtypen zuständig. Matthias Lange demonstrierte den Gästen, wie das geographische Informationssystem funktioniert. Auf einer digitalen Karte werden alle BSAG-Fahrzeuge und ihre aktuelle Position angezeigt. Geschieht ein Unfall und der Mitarbeitende aus dem Fahrdienst drückt im Fahrzeug die entsprechende Taste, ertönt in der Leitstelle ein lautes Klirren und die Monitor-Anzeige springt direkt zum betreffenden Fahrzeug. »So können wir Rettungskräften genau mitteilen, an welcher Adresse sich der Unfall ereignet hat«, erklärt Lange.
Computer schlägt Umleitungen vor
Hat eine Straßenbahn Probleme, schlägt der Computer außerdem automatisch einen Umleitungsverkehr für die anderen Fahrzeuge vor. Bei Unfällen mit Bussen entscheiden die Leitstellen-Mitarbeitenden individuell, inwieweit der sonstige Nahverkehr umgeleitet werden muss.