Elektro-Carsharing-Pionier Jan-Olaf Willums im Interview

Elektro-Carsharing-Pionier Jan-Olaf Willums im Interview
16. August 2016 Andreas Holling

Carsharing mit dem Elektroauto

Warum nicht mal ein Elektroauto leihen. Mit der Idee startete Jan-Olaf Willums vor fast zehn Jahren. In Norwegen gegründet er das Carsharing-Unternehmen Move About, das heute in mehreren Ländern Europas tätig ist – auch in Deutschland. In Bremen betreibt Move About rund ein Dutzend Standorte, darunter auch auf dem Gelände der Bremer Straßenbahn AG. Warum er trotz weniger Elektroautos auf den Straßen an die Zukunft des Antriebskonzepts glaubt, verrät Jan-Olaf Willums in diesem Gespräch.

BSAG: Herr Willums, viele Carsharing-Mitbewerber halten Elektroautos für unpraktisch. Sie schreckt zum Beispiel der Aufwand, Batterieladungen zu planen. Sie hingegen setzen bei Move About ausschließlich auf Elektroautos. Was machen Sie anders?

Jan-Olaf Willums: Move About begann mit einem Fokus auf die Mitarbeiter von Unternehmen und Gemeinden. Untersucht man deren Transportbedürfnisse, sieht man, dass diese relativ kurze Fahrten brauchen. Die Erfahrung, die wir jetzt seit sechs Jahren in Skandinavien haben, zeigt, dass es dort keine Angst mehr gibt, mit dem Elektroauto liegen zu bleiben.

Anfang 2016 gab es in Bremen knapp 260 vollelektrische Autos – bei etwa 285.000 Pkw insgesamt macht dies einen Anteil von unter einem Promille. Stimmen Sie solche Zahlen nicht traurig?

Nein, für uns ist das eine Möglichkeit. Wir glauben an die Notwendigkeit der Energiewende, und da spielt das Elektroauto eine sehr wichtige Rolle – speziell wenn es mehr effektiv gebraucht werden kann, wie beim Carsharing. Wir brauchen ein „Fahrzeug“ und kein „Stehzeug“, das die meiste Zeit des Tages ungenutzt auf den Parkplätzen der Unternehmen oder Gemeinden steht.

In ihrer Heimat Norwegen hingegen fährt fast jeder vierte Neuwagen mit Strom. Woher kommt der Boom?

Einerseits sind wir in Norwegen sehr Natur- und Umweltorientiert. Gleichzeitig haben wir Wasserkraft, das heißt: reinen Strom. Anderseits hat die Regierung schon recht früh beschlossen, die Steuern so ökologisch zu strukturieren, dass große Verbrenner viel mehr kosten als umweltfreundlichere Autos. Wenn man dann auf der kommunalen Ebene sehr eng mit dem städtischen öffentlichen Verkehr zusammenarbeitet, ergeben sich gute Synergien.

Statt von Carsharing sprechen Sie immer wieder von „Mobility on Demand“ – also von der Mobilität bei Bedarf. Worin liegt der Unterschied?

Mit Carsharing verstehen viele einfach „Kurzmiete“. Wir wollen den individuellen Transportbedarf mit einer viel weiteren Palette lösen. Bei und kann man mit einem Fingerdruck auch ein Elektrofahrrad oder E-Roller bestellen. Und wir sind dabei Ridesharing (Mitfahrgelegenheiten) und Peer-to-Peer-Carsharing (Zugang zum Privatautos der Kollegen in der Firma) auf der gleichen Plattform mit einzubeziehen.

Der Öffentliche Personenverkehr (ÖPV) bietet ja quasi auch „Mobilität bei Bedarf“ an. Trotzdem kooperiert Move About in Bremen mit der BSAG. Sind Bus und Bahn für Sie also keine Konkurrenz?

Nein, im Gegenteil: Der ÖPV ist ein Teil eines integrierten Angebotes. Wir können die Transportdienstleistung da erweitern, wo die Straßenbahn oder der Bus nicht hinfahren. Praktisch ist es auch, wenn ich etwas mehr vom Einkaufsbummel außerhalb des Zentrums mitnehmen möchte als dass im Bus geht. Wir ergänzen uns.

In einem Interview sprachen Sie einmal vom „Verbundsystem der öffentlichen Mobilität“. Können Sie diese Idee erklären?

Ich sehe eine komplette Integration der wichtigsten Transportsysteme, so dass für mich die besten Reisemöglichkeiten dabei herauskommt – je nach Zeitbedarf, Bequemlichkeit oder Arbeitssituation. Damit können zum Beispiel Pendelverkehre und die Dienstreisen optimal verbunden werden.

Zehn Jahre in die Zukunft geblickt: Wie wird aus ihrer Sicht unsere städtische Mobilität im Jahr 2026 aussehen?

Jeder hat sich dran gewohnt, mit einer App eine Reise zu bestellen , mit jemandem zusammenzufahren oder mitzunehmen, und alles reibungslos abzurechnen. Das vorgeschlagene Transportmittel ist speziell meinen Wünschen angepasst, und sogar vielleicht einen kleinen Umweg macht, um bei mir vorbeizukommen – also ein vollendetes Mobility-on-Demand-Konzept. Und das alles umweltfreundlich, also fährt sicherlich sehr viel elektrisch.

Herr Willums, vielen Dank für dieses Gespräch.