Lieber Busse als Luxusautos
Als Wiebke Herrmann ihr Abitur in der Tasche hatte, war ihr klar, dass sie nicht an die Uni will. Zwei Ausbildungsberufe waren ganz weit oben auf ihrer Wunschliste. »Letztlich habe ich mich für den Dreck entschieden«, sagt die Kfz-Mechatronikerin lachend.
Hätte sie sich vor 14 Jahren anders entschieden, würde sie heute Autos bei Mercedes verkaufen. Stattdessen sind die Busse der BSAG die »Kunden« der 34-Jährigen.
Anders als Autos kommen Busse mehrmals jährlich auf den Prüfstand. Die jährliche Hauptuntersuchung wird von drei weiteren Sicherheitsprüfungen ergänzt. Viermal im Jahr werden die mehr als 200 Busse der BSAG in der Prüfhalle einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Anschließend rollen die Fahrzeuge direkt an die Hebeanlagen der verschiedenen Werkstatt-Teams. Zu einem der vier- bis fünfköpfigen Teams gehört Wiebke Herrmann. Jeder Bus, der anrollt, hat eine Mängelliste im Gepäck, die es abzuarbeiten gilt. Maschinen- und Kfz-Schlosser:innen und -Mechatroniker:innen sowie Elektriker:innen arbeiten zusammen, damit jeder Bus so schnell wie möglich wieder für den Fahrgastverkehr einsatzbereit ist.
Mal ist der Einklemmschutz der Türen zu stramm oder zu locker eingestellt, mal müssen Abschlussgummis unten an den Türen ausgetauscht werden, regelmäßig müssen die 100 Kilo schweren Reifen der Busse gewechselt werden – genug zu tun ist eigentlich immer. Die Werkstattcrew kennt die einzelnen Bustypen und ihre Eigenheiten gut und würde auch ohne einen Blick in die Mängelliste wissen, welche Standards abzuarbeiten sind. »Beim Solaris zum Beispiel ist die erste Achse meistens überfettet, beim MAN hingegen muss die gleiche Achse meistens abgeschmiert werden«, sagt Wiebke Herrmann. In der Regel findet man sie beim Motor. Sie wechselt Motor-, Getriebe- und Hinterachsenöl, tauscht Filter aus, erneuert Dichtungsringe und wartet Pumpen. »Das ist eine körperliche Arbeit und am Abend weiß man, was man gemacht hat«, sagt die Kfz-Mechatronikerin über ihren Job.
Ihr Tag beginnt früh morgens: Um 5 Uhr betritt sie die große Buswerkstatt am BSAG-Standort in der Neustadt, zieht sich um und schnappt sich ihren fahrbaren Werkzeugschrank. Dafür ist sie auch früh wieder zu Hause. Je nachdem, wie viel zu tun ist, endet ihr Arbeitstag zwischen 13.30 und 14.30 Uhr.
Am liebsten schraubt Wiebke Herrmann an den älteren Solaris- und MAN-Fahrzeugen. »Bei denen hat man noch Platz zum Arbeiten«, sagt sie. Neuere Fahrzeuge hingegen würden an den Stellen, an die sie und ihre Kolleginnen und Kollegen ranmüssen, immer enger. Das stört die Kfz-Mechatronikerin, obwohl sie selbst eher klein und zierlich ist. Im Berufsalltag ist das übrigens selten ein Thema. »Gewaltig ist des Schlossers Kraft, wenn er mit dem Hebel schafft«, zitiert sie augenzwinkernd die alte Handwerkerweisheit. »Wenn mir für etwas die Kraft fehlt, verlängere ich den Werkzeuggriff und nutze die Hebelwirkung.« Wenn sie an irgendwas nicht herankommt, steigt sie eben auf die Leiter, die zu ihrer Arbeitsausrüstung gehört. Und wenn etwas allein nicht geht, kann sich Wiebke Herrmann auf ihr Team verlassen. Andersherum gilt das natürlich genauso: »Wenn ein Kollege zum Beispiel mal Rückenprobleme hat, übernehme ich auch seine schwereren Arbeiten.«
Die Entscheidung gegen eine Karriere als Automobilverkäuferin und für die Ausbildung bei der BSAG zur Kfz-Mechatronikerin hat sie nie bereut. Zwar fragt sie sich manchmal, ob sie es körperlich schafft, bis zur Rente in der Werkstatt an den Bussen zu arbeiten. »Aber ich kann mir nichts anderes vorstellen.«