Als Straßenbahnfahrer Selahattin Koç an diesem Morgen seinen Dienst antritt, ahnt er noch nicht, dass er bei seiner ersten Fahrt im Mittelpunkt des Interesses stehen würde. Kurzfristig hat er den Kurs übernommen und erst am Tag zuvor erfahren, dass er heute auf der neuen Linie 5 unterwegs ist. Dass seine Straßenbahn, die um 9.18 Uhr in Gröpelingen startet und über die Überseestadt zum Hauptbahnhof und weiter zum Bürgerpark fährt, die erste überhaupt auf der Linie 5 ist, war ihm aber nicht bewusst.
Das erfährt er erst von mir, als ich ihm erzähle, dass ich ihn gern bei der ersten Fahrt begleiten würde. „Echt jetzt?“, fragt er erstaunt und fügt lachend hinzu: „Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich aber nochmal zum Friseur gegangen.“
Bevor es mit der Linie 5 losgeht: Fahrzeugkontrolle
Noch steht „Leerfahrt“ auf der Straßenbahn vom Typ GT8N. Bevor das erste Mal „Linie 5“ in der Zielanzeige steht, muss noch einiges erledigt werden. Selahattin Koç kontrolliert die Bahn auf Schäden und überprüft, ob Blinker und Bremslicht funktionieren. Dann öffnet und schließt er alle Türen. Auch sie funktionieren einwandfrei. Mit einem kleinen Papierschnipsel geht er dann durch die Bahn. „Ich teste, ob die Fahrscheinentwerter alle funktionieren“, erklärt er mir. Nebenbei öffnet und schließt er jede Fahrgasttür noch einmal einzeln – keine Beanstandungen.
Bei einem Entwerter ist die Farbe, die auf den Schnipsel gedruckt wird, etwas verblasst. Koç notiert die Gerätenummer und wird die Information später weitergeben. Zurück am Fahrerarbeitsplatz füllt er noch die Wagenlaufkarte aus. Ein bisschen nervös sei er schon, gibt der Straßenbahnfahrer zu. Erst seit September lenkt er die Schienenfahrzeuge durch Bremen und normalerweise rückt er dabei von „seinem Betriebshof“ in Sebaldsbrück aus. „Ich hab die Straßenbahnprüfung beim ersten Anlauf geschafft und hatte in der Theorie null Fehler“, erzählt der Kollege stolz.
Interessierte Premierengäste warten an der Haltestelle
Heute aber ist alles etwas anders. Statt Linie 2 oder 10 steht die Linie 5 im Dienstplan. Los geht es in Gröpelingen und nicht in Sebaldsbrück.
Plötzlich hupt es aus einem Lautsprecher. „Das ist das Zeichen, dass ich los muss“, erklärt Selahattin Koç. Er klingelt noch einmal, dann rollt die Bahn los. Koç muss eine Runde um die Umsteigeanlage drehen um die Abfahrtsposition der Linie 5 zu erreichen. Dort stehen schon die ersten Fahrgäste.
Und jetzt begreift auch der Kollege, dass diese Fahrt eine besondere wird. Mehrere Fotokameras sind auf ihn gerichtet. Am Bahnsteig steht eine ganze Gruppe Nahverkehrsenthusiasten und Straßenbahnfans. Sie fotografieren die neue Linie 5 und wollen natürlich auch mitfahren. Selahattin Koç macht extra noch eine Durchsage und begrüßt die ersten Fahrgäste auf der Premierenfahrt. Er erklärt, welchen Weg die Straßenbahn fährt und wo sie unterwegs hält.
Auch Chef der BSAG-Verkehrsplanung fährt mit
Ein junger Mann mit Kopfhörern schaut erschrocken auf die Fahrgastinformation, sieht die ungewohnte Linienbezeichnung, stürzt aus dem Fahrzeug, sieht sich um – und steigt dann doch wieder ein. Die erste Fahrt kann also starten.
Auch Andreas Busch ist an Bord. Der Chef der BSAG-Verkehrsplanung will sich selbst ein Bild davon machen, ob auf der neuen Linie alles rund läuft. Bis zum Waller Ring fährt die Linie als 5S. Um eine möglichst schnelle Verbindung anzubieten, lässt sie zwischen Gröpelingen und Waller Ring alle Haltestelle bis auf Use Akschen aus.
Linie 5S lässt einige Haltestellen aus
„Das tut mir immer leid, wenn Fahrgäste an der Haltestelle stehen und ich nicht anhalte“, sagt Selahattin Koç. Trotzdem hält er sich natürlich an den Fahrplan. Etwas ärgerlich ist nur, dass an der Grasberger Straße die Signalgebung noch nicht richtig funktioniert. Eigentlich sollte die Straßenbahn dort eine „grüne Welle“ haben und gar nicht halten müssen. Auf der ersten Fahrt muss Koç aber abbremsen und an der Haltestelle anhalten, die gar nicht bedient wird.
Planer Andreas Busch notiert die falsche Signalgebung sofort, damit sie möglichst schnell behoben werden kann. Eine Straßenbahn, die zwar an der Haltestelle hält, aber nicht die Türen öffnet – das wäre für die Fahrgäste nur irritierend. An den anderen Kreuzungen funktionieren die Lichtsignalanlagen und Vorsignale aber so wie geplant. Auch das Abbiegen von der Straße Auf der Muggenburg aufs Doventor geht zügig. Hier hatte die Linie 5 bei der Vorstellungsfahrt im vergangenen Jahr noch ganz schön lange warten müssen.
Falsch gestellte Weiche hält Linie 5 nicht auf
Dafür wartet hinter der Kurve eine kleine Herausforderung. Eine Weiche steht falsch, obwohl sie eigentlich automatisch in die richtige Position in Richtung Hauptbahnhof springen sollte. Fahrer Selahattin Koç bemerkt das aber rechtzeitig. „Straßenbahnfahren kostet viel Konzentration“, hatte er mir vorher gesagt. Jetzt weiß ich auch, warum. Hätte er die falsch gestellte Weiche nicht gesehen, wäre die Straßenbahn prompt auf der Strecke der Linien 2 und 10 zurück nach Gröpelingen gefahren.
So aber steigt Koç schnell aus und stellt die Weiche mit dem Stelleisen manuell. Ohne weitere Zwischenfälle geht es weiter in Richtung Hauptbahnhof. Mit einer minimalen Verspätung erreicht die Linie 5 die Wendeschleife am Bürgerpark. Dort wartet schon die Straßenbahn, die nun als erste Linie 5 in die Gegenrichtung nach Gröpelingen startet.
Junger Fahrgast darf auf den Fahrersitz
Selahattin Koç hätte jetzt eigentlich ein paar Minuten Pause. Stattdessen ist er aber auch während seiner Überliegezeit gefragt, weil die Straßenbahnfans in der Wendeschleife Fotos machen wollen. Türen fürs Foto öffnen, Türen wieder schließen – der Kollege hat gut zu tun.
An der Wendeschleife steht auch ein sechsjähriger Junge aus Walle. „Er wollte unbedingt mit der Linie 5 fahren“, erzählt seine Oma. Das bekommt auch Selahattin Koç mit. Ein paar Minuten Zeit bis zur nächsten Abfahrt hat er noch. Deshalb darf sich der der junge Fahrgast ausnahmsweise mal auf den Fahrersitz setzen. Seine Oma macht ein Foto für die Mama – die hatte ihrem Sohn schließlich von der neuen Linie erzählt.
Pünktlich zurück in Gröpelingen
Dann aber geht es weiter – zurück nach Gröpelingen. Wie bereits auf der Hinfahrt funktionieren die automatischen Ansagen einwandfrei. Fahrgäste erfahren rechtzeitig, dass Streckenabschnitte ohne Halt vor ihnen liegen, oder dass sie umsteigen müssen, wenn sie nicht zum Hauptbahnhof, sondern zur Domsheide wollen. Auch die Fahrzeit passt. Die Rückfahrt endet exakt zum geplanten Zeitpunkt. Neu ist die Linie 5 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr – sie ist in Bremen angekommen.
Alle Abfahrten der neuen Linie 5 finden Interessierte hier.
8 Kommentare
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ich finde das super das die Linie 5 fährt halbe Stunde früher zu Hause weiter so
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warum wird auf der Linie 5 nicht mit den GT8N-1 gefahren, so wie es damals bei der Vorstellung präsentiert wurde, statt dessen verkehren nur die alten GT8N… Abwechslung in Gröpelingen wäre schön gewesen. Gruß
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Hallo Enrico,
der Einsatz unserer Straßenbahnen auf den unterschiedlichen Linien ist immer abhängig von der Verfügbarkeit und vom Startpunkt, also dem Depot, von wo sie ausrücken. Ansonsten gibt es eigentlich keine feste Zuordnung der Bahnen zu den jeweiligen Linien – mit Ausnahme von 2 und 10, wo die baulichen Bedingungen keinen Einsatz der breiten Bahnen zulassen.
Viele Grüße
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Moin,
erstmal herzlichen Glückwunsch zur neuen Linie 5 und der geglückten Premierenfahrt!
Ja, sicherlich eine Verbesserung in Sachen ÖPNV für die Überseestadt zusammen mit den neuen Buslinien.
ABER: Ganz, ehrlich: Das größte Stadtentwicklungsprojekt Bremens wird mit einem 20 Minuten Takt an den HBF angeschlossen? Das ist doch kein attraktiver Takt. In der Überseestadt leben bald 2000 Menschen und über 15.000 gehen dort täglich zur Arbeit. Liebe BSAG, warum der seltene Takt? Alle anderen Bahnen fahren häufiger? War da nicht was mit: „Uns reicht alle 10 Min. nicht“ 🙂 Gibt es ne Chance, dass wenn die neuen Straßenbahnen geliefert werden, sich der Takt noch mal verbessert? In 2 Jahren ist das Zech Gebäude und die Wohnungen am Schuppen 3 fertig und es kommen nochmal mindestens 1500 Menschen dazu. Also, bitte bleibt da dran! Der ÖPNV muss sicher, schnell und eine attraktive Taktung bieten – nur dann hat er eine Chance die Pendler zu überzeugen. -
Vielen Dank Fürs nicht auslassen von uns Strassenbahnfans
Und für die die sich fragen wie viele leute dort standen ungefähr 7 alle mit kamera die bahn fotografiert -
Ja ja eine leicht geänderte Straßenbahn 3S die jetzt alle 20 Minuten über den Hauptbahnhof zum Bürgerpark ~ Findorff fährt das soll sowas besonderes sein ?
Und dann statt der Buslinie 28 zentral durch Walle zufahren kommt eine kurze seltenfahrene Rumlinie 20 was wie eine leistung das die Linie 28 beim Hansator in den beiden grösten Überseestadt Baustellenengstellen am Europahafen fährt
und in den Bereich ist in den nächsten Jahren noch grosses geplant da vorbei schickt man den Bus 28 ?Zusetzlich kündigt man am ende der Überseestadt die Buslinien 26 und 28 gross an um dann festzustellen das dort gebaut wird und die 26 / 28 bis dahin überhaupt garnicht fahren zukönnen aha !
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Und der größte Knaller ist, dass die Linien 26 und 28 an der Silbermannstr. ENDEN.
Man geht dann mal schlappe 12 Min zu Fuß , wenn man aus der Überseestadt Nord kommt. Kein Wort von der BSAG wie lange dieser Zustand dauert. Einfach nur bis auf Weiteres.Und das soll eine Verbesserung sein? Nein ganz und gar nicht. Ihre Informationspolitik ist Grotten schlecht-
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Hallo Holger! Die Bautätigkeiten, die zurzeit dazu führen, dass die Linien an der Silbermannstraße enden, werden nicht von der BSAG ausgeführt. Deshalb können wir nicht mit Sicherheit sagen, wie lange die Straßen für die Busse nicht befahrbahr sind. Wie ich an anderer Stelle bereits schrieb: Zurzeit gehen wir davon aus, dass die Linien nach den Sommerferien wie geplant fahren können.
Viele Grüße
Sonja Niemann
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