Nordlicht

Von der Idee bis zur ersten fertigen Straßenbahn

Von in Nordlicht

Anders als Autos kann man eine Straßenbahn nicht so einfach im Fachhandel um die Ecke kaufen. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Nachfrage nach diesen Spezialfahrzeugen natürlich geringer ist. Jede Stadt hat außerdem völlig eigene Anforderungen an ihre Schienenfahrzeuge – dementsprechend gibt es keine Straßenbahnen »von der Stange«. Es gibt unterschiedliche Fahrzeugbreiten und -längen, unterschiedliche Spurweiten und die Antriebsarten unterscheiden sich auch. Die Fahrzeuge müssen überall durch das jeweilige Schienennetz passen, ohne dabei Bordsteinen oder anderen festen Einbauten auf der Strecken zu nahe zu kommen. Außerdem gibt es unterschiedliche Anforderungen an die Barrierefreiheit (etwa ein Lift) sowie an die Ausstattung der Fahrendenkabine und des Fahrgastinnenraums.

Auch deshalb hat es Jahre gedauert, bis das erste Exemplar von insgesamt 77 neuen Straßenbahnen endlich Bremen erreicht hat. Auf der Haben-Seite steht: Die Vorfreude ist nach einer so langen Zeit natürlich umso größer.

Die alten und schmalen Straßenbahnen vom Typ GT8N haben ihren Dienst getan. Sie sind in einem schlechten Zustand und werden deshalb zunächst ersetzt und dann verschrottet.

Kauf einer Straßenbahn dauert mehrere Jahre

Schon Jahre vor der offziellen Entscheidung durch die Politik wurde in Bremen über den Kauf neuer Straßenbahnen nachgedacht. Bei der Bremer Straßenbahn AG sprechen wir dabei von »Ersatzbeschaffung«. Schließlich wächst der BSAG-Fuhrpark durch die Anlieferung des neuen »Nordlichts« zahlenmäßig nicht.

Die modernen Siemens-Fahrzeuge lösen viel mehr die alten, schmalen Straßenbahnen vom Typ GT8N ab. Sie haben ihre prognostizierte Laufleistung längst erreicht und sogar überschritten. Dass die Straßenbahnen »auf sind«, bekommen besonders die Kolleginnen und Kollegen aus den Werkstätten zu spüren. Immer häufiger mussten und müssen defekte Fahrzeuge repariert werden. Die personellen und räumlichen Kapazitäten wurden vor einigen Jahren schließlich so eng, dass Straßenbahnen nicht ausrücken konnten. Die Notwendigkeit, neue Bahnen zu beschaffen, wurde immer deutlicher.

Materialermüdung bei alten Fahrzeugen erhöht den Zeitdruck

»Die Fahrzeuge haben ihre Zeitfestigkeit erreicht und die Materialermüdung wurde für uns zu einem Thema«, so Andreas Hesse, der bei der BSAG nicht nur für die Schienenfahrzeuge zuständig, sondern auch Projektleiter für die Anschaffung der neuen Bahnen ist. »Wir hatten die Situation, dass wir nicht mehr zuverlässig planen konnten, welche Fahrzeuge wann in den Dienst geschickt werden konnten.«

Ohne Unterstützung aus der Politik wäre der Kauf von letztlich 77 neue Straßenbahnen nicht denkbar gewesen. Die Bremer Politikerinnen und Politiker von der Notwendigkeit eines Neukaufs zu überzeugen, war aber nicht so einfach. Gutachten und die Klärung mit der Stadt zeigten, dass eine Neuanschaffung letztlich finanziell günstiger ist als eine Generalüberholung aller Bahnen.

Während die einen Überzeugungsarbeit leisteten, bereiteten andere schon die Ausschreibungsunterlagen vor. Ein über 210-Millionen-Auftrag kann eben nicht einfach so vergeben werden. Der Zuschlag muss an denjenigen gehen, der im Rahmen einer europäischen Ausschreibung das beste Angebot macht. Weil bei der Prüfung des besten Angebots nichts schief gehen darf, dauerte es von der Ausschreibung bis zur Entscheidung länger als ein Jahr. Dann aber stand fest: Die Firma Siemens sollte neue Straßenbahnen für Bremen bauen. Inzwischen hatte natürlich auch die Politik den Plänen zugestimmt.

Ein wichtiger Tag: Die Verantwortlichen von Siemens und Bremer Straßenbahn AG unterschreiben den Vertrag über die Produktion neuer Straßenbahnen für Bremen.

 

Rohbau: So sah das »Nordlicht« noch im Frühjahr 2019 aus.

35 Straßenbahnen haben eine besondere Ausstattung

Mit der Bestellung begann bei Siemens die Konstruktionsphase. Am Computer wurden die technischen Details der Straßenbahn für Bremen erstmals richtig sichtbar. Schaltpläne für die Elektronik wurden genauso erstellt wie zum Beispiel Fertigungszeichnungen, Einkaufslisten und Fristenpläne. In dieser Phase werden die »Sonderwünsche« wichtig. So hat die BSAG zum Beispiel 35 Fahrzeuge bestellt, die sich von den anderen unterscheiden. Sie werden mit einem automatischen Zugsicherungssystem (Blocksystem) ausgerüstet. Das ist Voraussetzung, um auch auf Eisenbahnschienen fahren zu dürfen. Schließlich soll die Linie 8 bis nach Weyhe verlängert werden und die Straßenbahnen sollen die bereits vorhandene Trasse der Bremen-Thedinghauser-Eisenbahn nutzen.

Bevor es an die echte Straßenbahn ging, bauten die Expertinnen und Experten aber zunächst ein Mock-up des »Nordlichts«. Das Holzmodell im Maßstab 1:1 wurde zur BSAG geliefert, damit unter anderem das Team um Projektleiter Andreas Hesse unter möglichst realistischen Bedingungen die geplanten Dimensionen unter die Lupe nehmen konnte. Der Arbeitsplatz des Fahrdienstes war ebenfalls in Originalgröße gebaut worden. Und auch Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden, die sich für die Interessen mobilitätseingeschränkter Menschen einsetzen, haben die Bahn schon getestet, bevor ihr Bau überhaupt begonnen hatte.

Der Aufwand hat sich gelohnt: Die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dem Mock-up flossen anschließend in die Konstruktionspläne für das »Nordlicht« ein.

Das Mock-up, ein Holzmodell in Originalgröße, hat im Vorfeld dazu gedient, Planungsfehler bei der neuen Bahn zu vermeiden.

Start der Fertigung im Dezember 2018

Schließlich begann im Dezember 2018 bei Siemens in Wien, die Fertigungsphase.Oft waren die Expertinnen und Experten der BSAG vor Ort, um den Bau der Straßenbahn zu begleiten. Auch das Siemens-Werk in Graz haben sie besucht, denn dort werden die Drehgestelle für das »Nordlicht« gebaut.

Ein gutes Jahr später steht das erste »Nordlicht« nun auf dem Betriebshof der BSAG. Ab jetzt geht es Schlag auf Schlag. Voraussichtlich am 17. April erreicht das zweite Fahrzeug Bremen. Dabei handelt es sich um die Bahn mit der Nummer 3201. Sie hat als erste Bremer Bahn das Werk in Wien verlassen, aber noch eine Zwischenetappe auf einer Teststrecke im Siemens-Prüfzentrum Wegberg-Wildenrath absolviert.

Endlich da: Das erste »Nordlicht« hat sein Zuhause bei der Bremer Straßenbahn AG erreicht.

1 Kommentar

  1. Bastian 4 Jahren vor

    Hallo
    Gibt es andere Fotos von Rohbau?

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