Nordlicht

»Nordlicht« das erste Mal aus eigener Kraft unterwegs

Von in Nordlicht

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Zum ersten Mal soll Bremens neue Straßenbahn »Nordlicht« aus eigener Kraft fahren. Bei den Siemens-Mitarbeitenden, die mit dem Fahrzeug vom Typ Avenio nach Bremen gekommen sind, ist die Anspannung groß. Denn: Bisher hat das Fahrzeug im Werk in Wien nur einen Meter zurückgelegt.

Es ist kurz nach 15 Uhr, als der akkubetriebe Verschiebewagen die fast 40 Meter lange Bahn vor sich her aus der Werkstatthalle schiebt. Die Sonne scheint, es ist warm – eigentlich bestes Wetter für eine kleine Ausfahrt. Nur wenige Minuten später hebt sich der Pantograf des »Nordlichts« an und kommt zum ersten Mal in Kontakt mit einem Bremer Fahrdraht. Für Marc Chilla, Inbetriebsetzungs-Leiter bei Siemens, ist das ein spannender Moment. Er darf als erster auf dem Fahrersitz Platz nehmen und versuchen, das 50-Tonnen-Fahrzeug in Bewegung zu setzen.

Die erste Fahrt des »Nordlichts« außerhalb des Siemens-Geländes

Chilla schiebt den Joystick links von sich vorsichtig nach vorne. »Das ist das erste Mal, dass wir das Fahrzeug außerhalb des Siemens-Werks fahren«, berichtet er. Und auch im Heimat-Werk in Wien haben die Siemensianer bisher nur getestet, ob alle Antriebe richtig anlaufen. Mehr als einen Meter ist das Fahrzeug mit der Nummer 3202 bisher noch nicht am Stück gefahren.

Ohne Probleme setzt es sich aber auf dem BSAG-Betriebshof in Bewegung. Zumindest für ein paar Meter. Dann muss Marc Chilla es abbremsen. Eine Weiche muss manuell gestellt werden. Unter anderem dazu dient diese Probefahrt: Die drei Mitarbeitenden von Siemens sollen die Gleis- und Weichenstruktur auf dem Betriebsgelände kennenlernen, um dort in den nächsten Wochen das Fahrzeug in Bewegung testen zu können.

Der Stromabnehmer des »Nordlichts« berührt zum ersten Mal eine Bremer Fahrleitung.

Betriebsleiter weist Siemens-Mitarbeitende ein

Deshalb ist auch BSAG-Betriebsleiter Matthias Zimmermann dabei. Er erklärt den Siemens-Mitarbeitenden unter anderem, wie die elektrischen Weichen auf dem Gelände zu bedienen sind. Trotzdem nutzen die Männer die Fahrt auch schon für erste Tests.

»Nicht erschrecken, ich bremse bis zum Stillstand«, ruft Chilla in den Fahrgastraum. Kein Problem: Die Bremsen funktionieren einwandfrei. Auch das Infotainment-System läuft schon auf den Bildschirmen und die Klimaanlage kühlt am ersten warmen Frühlingstag den Fahrgastraum.

Das Infotainment-System in den neuen Straßenbahnen läuft bereits.

Türen-Signal gehört zukünftig zum Standard

Das dies eine erste Probefahrt ist, ist trotzdem auf den ersten Blick zu sehen. Abdeckungen, hinter denen sich Elektronik verbirgt, stehen offen, weil die Mitglieder des Inbetriebsetzungs-Teams daran regelmäßig arbeiten. Von einem Laptop führt ein langes Kabel in die Fahrzeugdecke. »Damit haben wir direkten Zugriff auf die Fahrzeugsteuerung«, erklärt Chilla.

Immer, wenn die Türen nach einer Weichenstellung wieder geschlossen werden, piept und blinkt es über der Tür. »Das ist eine gesetzliche Vorgabe und wird jetzt immer so sein«, erklärt Matthias Zimmermann. Der Warnton soll Fahrgäste auf das Schließen der Türen hinweisen.

Marc Chilla darf als erstes die neue Straßenbahn über das BSAG-Gelände fahren.

»Nordlicht« erlebt auch Rückwärtsfahr-Premiere

Nachdem das Vorwärtsfahren schon gut funktioniert, will der BSAG-Betriebsleiter auch ausprobieren, ob der Heckfahrstand funktioniert. Gemeinsam mit Marc Chilla läuft er durch das gesamte Fahrzeug. Im hinteren Teil des »Nordlichts« finden Fahrgäste künftig Sitzplätze, die wie eine Lounge angeordnet sind. Fahrdienst- und Werkstattmitarbeitende haben aber auch den Schlüssel zu einer wichtigen Klappe. Hinter ihr verbirgt sich ein Pult, mit dem sich die Straßenbahn auch rückwärts fahren lässt.

Besonders schnelle Fahrten sind auf dem BSAG-Gelände nicht möglich. Als Chilla – inzwischen wieder im Vorwärtsgang – auf einer langen Geraden die 30 Stundenkilometer erreicht, ist die Beschleunigung aber deutlich zu spüren. In die Kurven fährt das »Nordlicht« etwas härter als seine Vorgängerinnen. Dass es weniger schlingert, macht sein Verhalten in den Kurven berechenbarer – und damit auch den Platz, den es braucht, um nirgendwo anzustoßen.

In der Fahrgast-Lounge verbirgt sich auch das Pult, mit dem sich die neue Straßenbahn rückwärts fahren lässt.

Knarzen im hinteren Wagenteil muss noch abgestellt werden

Dass es im Doppelgelenk während der Fahrt aber noch etwas knarzt, gehört zu den Dingen, die jetzt auf die to-do-Liste kommen. Anpassungen sind nötig, damit Fahrgäste möglichst entspannt und geräuscharm unterwegs sein können. Dass die Siemens-Bahn über Weichenkreuzungen aber deutlich leiser hinweg fährt als insbesondere die Straßenbahnen vom Typ GT8N, die sie ersetzen, ist jetzt schon deutlich zu spüren.

Auch der sogenannte Totmannschalter wird auf der ersten Fahrt bereits getestet. Drückt der Fahrer oder die Fahrerin den Joystick, mit dem er oder sie beschleunigt und bremst, nicht herunter, erklingt nach 20 Sekunden ein schriller Warnton. Wird niemand tätig, bremst die Bahn zwei Sekunden später von selbst. Dieser Mechanismus soll Unfälle verhindern, falls Fahrdienstmitarbeitende plötzlich nicht mehr in der Lage sind, das Fahrzeug zu steuern. Und er funktioniert auch beim »Nordlicht«.

Gefahrenbremsung zum Abschluss der ersten Fahrt

Schließlich setzt sich auch Betriebsleiter Matthias Zimmermann an den sogenannten Sollwertgeber. Nach einigen Metern will er es wissen. »Bitte festhalten: Ich mache jetzt eine Gefahrenbremsung.« Schon reißt er den Joystick energisch zurück und die Bahn kommt wenig später zum Stehen. Die Mitfahrenden sind sich einig: Gute Adhäsion. Das heißt: Die Bahn klebt förmlich an den Gleisen, der Ruck hält sich in Grenzen und das Fahrzeug hat trotzdem einen kurzen Bremsweg.

Schon am folgenden Tag soll das »Nordlicht« erneut ein paar Runden drehen. Dann werden die ersten BSAG-Mitarbeitenden auf dem neuen Fahrzeug eingewiesen.

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